Sehr geehrter Herr Liebenau,
wir verstehen, dass in Teilen der Bevölkerung der Region mit Blick auf das abgeschaltete Atomkraftwerk der Wunsch besteht, dort wieder Natur entstehen zu lassen und nicht einen Betrieb zu errichten, der mit radioaktiven Abfällen umgeht. Das ist für uns nachvollziehbar. Faktisch ist es aber so, dass das Gelände in der Regionalplanung als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen ist – auch nach der Abschaltung des AKW. Die Gründe dafür sind zum einen die zwei weiterhin bestehenden Zwischenlager für radioaktive Abfälle und das Umspannwerk. Zudem steht dahinter aber auch die Bestrebung der Politik, dort weiterhin Gewerbe und Industrie anzusiedeln und eben nicht das Gelände zu rekultivieren und als Landschaft bestehen zu lassen. Und dies ist einer der Gründe, warum Würgassen Teil des Flächenpools für ein Logistikzentrum wurde. Die BGZ hatte sich gleichzeitig zum Ziel gesetzt, keinen Standort zu wählen, der etwa unter Naturschutz steht. Auch das ist in Würgassen der Fall. Mit diesem zusätzlichen Kriterium sind wir sogar noch über die Empfehlungen der Entsorgungskommission des Bundes hinausgegangen. Wir fanden das aber wichtig.
Auch der Wunsch der Bevölkerung, den in Würgassen gelagerten, schwach- und mittelradioaktiven Abfall zu entsorgen, ist verständlich. Dies wird jedoch erst nach der Inbetriebnahme des Endlagers Konrad möglich sein. Dieser Wunsch besteht ja auch nicht nur in Würgassen, sondern an allen Zwischenlager-Standorten. Ein wichtiger Grund für die Schaffung des Logistikzentrums ist es ja, dass der Einlagerungsbetrieb in Konrad verkürzt werden soll. Die dezentralen Zwischenlager in ganz Deutschland werden so schneller geräumt. Das ist ein Gewinn an Sicherheit für alle. Nur ein unterirdisches Endlager wie Konrad bietet die Gewähr, diese Abfälle dauerhaft ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zu lagern.
Wir möchten bei allem Verständnis aber auch noch etwas Grundsätzliches zu bedenken geben: Der Atomausstieg ist von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung gewollt, er wird sich jedoch nicht ohne Belastungen bewerkstelligen lassen. Dies betrifft den noch zu findenden Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ebenso, wie Orte wie Salzgitter, Gorleben oder Ahaus. Diese schultern seit Jahren die Lasten für die Allgemeinheit bei der Entsorgung nuklearer Abfälle, ohne jemals selbst Standort eines Atomkraftwerks gewesen zu sein und damit ohne von entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen profitieren zu können, wie dies beispielsweise auch in Würgassen-Beverungen der Fall war.
Und anders als an anderen Standorten deutscher Atomkraftwerke lagern in Würgassen bereits seit 1996 keine hochradioaktiven, verbrauchten Brennelemente mehr. Diese wurden in die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague abtransportiert. Und die hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung lagern heute größtenteils in Gorleben (108 Castor-Behälter). Weitere 25 Behälter dieser Art werden künftig in Bayern (Isar), Hessen (Biblis), Schleswig-Holstein (Brokdorf) und Baden-Württemberg (Philippsburg) zwischengelagert. Keiner der hochradioaktiven Abfälle, die in Würgassen produziert worden sind, ist dorthin wieder zurückgekehrt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr BGZ-Team